Als ich durch Zufall im Frühjahr 2005 in der Rubrik Nutzfahrzeuge unserer Tageszeitung las „Verkaufe Famulus – Preis Verhandlungsbasis“ wurden all meine Erinnerungen aus der Kindheit auf einmal lebendig und ich verfolgte über einige Wochen mit großem Interesse die Verkaufsszene in diversen Zeitungen. Eines Tages habe ich dann die Suchfunktion eines großen Internetauktionshauses zum Thema Famulus befragt und siehe da, auch im Internet sind diese Relikte des DDR Traktorenbaus zu finden. Da ich zu diesem Zeitpunkt nur schaute und auch nicht viel Geld ausgeben wollte, habe ich mehr oder weniger aus Spaß einfach mal auf einen Famulus geboten. Am Ende der Auktion wurde ich von anderen Bietern überboten. So erging es mir dann ein paar Male. Auch ist mir so ein roter RT325 für recht wenig Geld entgangen.
Eines Tages war ein Traktor bei diesem Internetauktionshauses unter der Beschreibung „VEB Schlepper RS14/46“ zu finden. Da ich mich in der Modellvielfalt damals noch nicht so auskannte und ich immer davon ausgegangen war es gab nur den 36er luftgekühlt und 40er wassergekühlt, musste ich feststellen dass es doch noch andere Modelle gab, die sich nicht nur in der Motorleistung unterscheiden sollten. Eine kurze Internetrecherche ergab dann, dass dieser RS14/46 ein Famulus Schlepper war, der einen wassergekühlten Motor mit 46PS besaß.
So sah der Famulus RS14/46 in der Anzeige im Internet aus als ich ihn ersteigert habe.
Das Besondere an diesem Modell war nicht nur der Motor, bei dem es sich um den leistungsstärksten Famulus Serienmotor handelte, sondern auch das Getriebe mit seinen 8 Vorwärtsgängen war eine Besonderheit. Der Traktor war laut Beschreibung des Verkäufers im Internet leider nicht fahrbereit, allerdings rollfähig und der Verkäufer hatte versucht den Famulus anzuschleppen. Leider ohne Erfolg. Das Einzige was der Schlepper von sich gab, waren ein paar Qualmwolken aus dem Auspuff.
Eine Rückfrage bei meinem Onkel Kalli zu den Startproblemen ergab, dass es wohl am alten Diesel, dem Dieselfilter, den Einspritzdüsen oder der Pumpe liegen könnte. Mit diesen Informationen habe ich mich dann an die Auktion gemacht und versucht den Famulus zu ersteigern. Denn so schlimm schienen die Probleme ja nicht zu sein. Lange Rede kurzer Sinn, ich habe das Teil dann für 351,00€ ersteigert. By the way, seit dem ist kein Famulus mehr günstiger verkauft worden im Internetauktionshaus eures Vertrauens, jedenfalls nicht ohne dass ich es gesehen hätte. :-)
In der Zwischenzeit musste ich mich um den Transport kümmern. Zum Glück hat mein Nachbar einen großen Pickup, der in der Lage war diesen „Brocken“ auf einem ausgeliehenen Trailer zu ziehen. Am 30.07.2005, es war ein Samstag, haben wir dann den ersteigerten Famulus abgeholt. Als wir ihn bei mir zu Hause hatten dauerte es nicht lange und wir haben uns daran gemacht den Schlepper als erstes zum Laufen zu bringen. Wir dachten uns, wenn der Motor erst einmal läuft können wir eine bessere Bestandsaufnahme machen und die Technik besser prüfen.
Unser Famulus in der Garage nach der Abholung links und nach ersten Arbeiten auf dem rechten Bild
Die Tage zwischen der Abholung und dem Beginn der Arbeiten wurden zum Beschaffen von neuen Batterien, Filtern und Diesel genutzt. Das Tauschen des Dieselfilters und Diesels, sowie das Entlüften der Leitungen und Einspritzpumpe ging alles problemlos. Ein vorpumpen der Einspritzpumpe per Hand wurde ebenfalls durchgeführt. Da ich gelernter Elektroinstallateur bin, ging mir die Prüfung und Instandsetzung der E-Anlage leicht von der Hand. Nun waren alle Voraussetzungen zum ersten Startversuch unsererseits erfüllt. Leider waren die Batterien nur etwas vorgeladen und wir mussten den Startversuch abbrechen. Ein paar Tage später dann ein neuer Versuch mit vollen Batterien. Wir haben schön vorgeglüht und der Starter zog gut durch - anspringen wollte der Motor aber nicht. Nach mehreren Versuchen haben wir erneut abgebrochen.
Zum Glück fuhr gerade mein Kumpel Manni mit seinem MTS vorbei und ich habe ihn gefragt, ob er den Famulus nicht anschleppen kann. Gesagt getan und ich habe eine Abschleppstange geholt und Manni hat den Famulus vorn aufs Maul genommen. Kalli musste den Piloten spielen. Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist war der Umstand, dass der Famulus bereits nach 2 Metern Qualmwolken von sich gab. Nach 50m waren erste Zündungen zu vernehmen. Nach einem kurzen Zeichen von mir hat Manni das Gaspedal des MTS50 weiter Richtung Bodenblech getreten und der MTS gab sein Bestes. Mit einem Schlag ist der alte Famulus angesprungen. Ein herrliches Gefühl! Manni hat den MTS angehalten und Kalli auf dem Fahrersitz und ich neben dem Famulus haben eine ordentliche Ladung Rost aus dem Auspuff abbekommen.
Zum ersten Mal seit 10 Jahren lief bei uns im Ort wieder ein Famulus. Wir haben gleich eine Probefahrt gemacht und soweit fuhr der Famulus ersteinmal. Mehr war von außen an dem Abend nicht zusehen. Ich musste mich auch gleich noch um einige Fehlteile kümmern. Es fehlten der Ansaugkrümmer sowie ein Ölbadfilter. Auch wollte ich die originale Blech Anhängerkupplung bei mir anbauen. Den Ölbadfilter hatte mein Kalli noch zu liegen. Die Blechkupplung konnte ich bei einem Bekannten gegen die bei mir verbaute Anhängerkupplung eintauschen. Der Ansaugkrümmer dageben gestaltete sich schwieriger. Ich habe in der ganzen Ostrepublik rumtelefoniert und durch Zufall einen Kontakt in Thüringen bekommen. Dort habe ich angerufen und der älter Herr hat mir einen nagel neuen Ansaugkrümmer verkauft und zugeschickt.
Unser Famulus im Novermber 2005 vor der Garage - da lief der Motor schon
Unser Famulus im Novermber 2005 vor der Garage und vor der Werkstatt
Unser Famulus im Novermber 2005 während der Demontage
Unser Famulus im Dezember 2005 während der Demontage
Unser Famulus im Januar 2006 während der Demontage
Die Lenkung war uns gleich negativ aufgefallen, diese hatte recht viel Spiel in den Lenksegmenten und dem Lenkritzel und noch viel mehr Spiel in den Lenkstockhebeln und Buchsen. Man konnte an den Lenkstockhebeln regelrecht wackeln. Auch der Motor war wohl am Ende seines langen und arbeitsreichen Lebens angekommen. Dies äußerte sich in einer ständigen blauen Fahne aus dem Auspuff und das Öldruckmanometer zeigte im warmen Zustand kaum noch was an. Des Weiteren mussten wir feststellen dass der Motor Druck auf dem Kühlsystem hatte und in den Pleullagern ganz viel Luft war. Kurzum ein Totalschaden. Auch die Reifen rundum waren porös und ohne Profil. Die hinteren Kotflügel vergammelt und der Hydraulikbock schon mal geschweißt worden, da er auf beiden Seiten gerissen war. Der Hydraulikbock musste also auch getauscht werden. Danach haben wir das Getriebe geöffnet. Die nächsten Hiobsbotschaften ließen nicht lange auf sich warten. Die Lager im Getriebe hatten alle Spiel, das Nadellager in der Vorgelegewelle war nicht mehr vorhanden. Das Tellerrad und Kegelritzel waren stark angegriffen und es fehlten auch Zähne! Für alle die mal einen Famulus oder anderen Schlepper restauriert haben wird wohl klar sein, dass auch das Getriebe im Grunde genommen als defekt zu bezeichnen ist.
geöffnetes Famulusgetriebe mit defektem Tellerrad / Kegelritzel
Da waren sie wieder meine drei Probleme. Schlechte Technik, kaum Ersatzteile und keine Ahnung wie es weiter gehen soll. Aber jammern bringt uns an der Stelle auch nicht weiter. Da kam mir die Anzeige in unserer Tageszeitung gerade recht. "Verkaufe Famulus im schlechten Allgemeinzustand mit einem zu DDR Zeiten überholten Getriebe" Ich habe da am gleichen Tag noch angerufen und einen Besichtigungstermin abgemacht. Der Famulus sah wirklich schlecht aus - hatte keine Motorhabe drauf und war ziemlich rostig. Aber mir ging es ja nur im das Getriebe, welches ja überholt worden sein soll. Außerdem waren noch einige Ersatzteile dabei und ein RS04/30 Ersatzteilspender, den wollte ich eigentlich gar nicht haben, musste ihn aber letztendlich mitnehmen da ich den Famulus samt Teilen sonst nicht bekommen hätte.
Famulus Erstatzteilspender im Ankaufzustand
Der Famulusersatzteilspender war fahrtüchtig, auch wenn er nicht so aussah. Wir haben ihn beim Verkäufer angeschleppt mit einem Deutz D40 und ich konnte eine Probefahrt machen. Das Getriebe lief gut und ließ sich gut schalten. Auch der Motor machte einen guten Eindruck, er lief gleich rauchfrei und hatte einen ganz guten Klang. Den habe ich mir erst einmal bei Seite gestellt.
Famulus Erstatzteilspender während der Demontage im Mai 2006
Famulus Erstatzteilspender während der Demontage im Mai 2006
Das Getriebe des Ersatzteilspenders war wirklich im guten Zustand. Was ich an der Stelle noch erwähnen möchte, bei diesem Getriebe handelte es sich laut Kennzeichnung um ein Getriebe der RT Reihe. Auf dem Getriebe sind die Bezeichnungen RT315/325 eingeschlagen und die Fahrgestellnummer ist mit 55556 auch auf RT Niveau. Das Getriebe hat bereits die lange Steckachse auf der rechten Seite verbaut und die stabilere Aufnahme im Bereich der vorderen Zapfwelle. Wir haben das Getriebe ordentlich von innen und außen gereinigt. Die Lager waren alle spielfrei und die Zahnräder sahen und sehen sehr gut aus. Die Steckachsen haben trotzdem neue Lager bekommen. Es wurden alle Dichtungen und Simmerringe gewechselt und mein Kumpel Dirk musste mir neues Getriebeöl besorgen. Zum Glück habe ich jemanden aus der Ölbranche, macht viele Sachen einfacher und auch billiger. Dieses Getriebe sollte nun der Grundstein meines Famulus werden.
Famulus Erstatzteilspender mit Rostschutzfarbe und neuen Dichtungen
Das Lenkgehäuse wurde auch von uns überarbeitet. Es wurde komplett in seine Einzelteile zerlegt und bekam neue Lenksegmente, neue Lenkarme mit neuen Buchsen und ein neues Lenkritzel. Die Lenksäule samt Lenkrad waren noch OK und wurden so übernommen. Man kann den Zustand der Lenkung jetzt überhaupt nicht mehr mit dem Zustand vorher vergleichen. Die Lenkung schlägt beim Fahren gar nicht mehr, was bei der alten Ausführung schon was zu bedeuten hat. Traumzustand würde ich behaupten.
Famulus Getriebe mit Lakierung
Das Getriebe samt Lenkgehäuse waren ja nur ein Teil der Überholung. Auch die Anbauteile an Getriebe und Lenkgehäuse wurden gereinigt, überarbeitet und lackiert. Die hinteren Kotflügel musste ich mir ja neu besorgen und sind jetzt übrigens aus GFK! Nie mehr Probleme mit Rost und super stabil. Kann ich nur empfehlen. Die Auf- und Anbauten des Getriebes wie Hydraulikpumpe, Hydraulikbock und die Getriebedeckel mit Sitzschale wurden gereinigt, lackiert und montiert. Auch die Motorhaube, die hinteren Kotfügel, die Vorderachse mit Bock und die Felgen wurden überarbeitet und anschließend lackiert. Leider habe ich von diesen Arbeiten keine Bilder.
Das Herz dieses Famulus (ich meine den Motor) war technisch gesehen, wie bereits erwähnt ebenfalls am Ende auch wenn es noch schlug. Den Motor des Ersatzteilspenders wollte ich nicht verbauen, da ich viel lieber was "Neues" haben wollte und der neue Motor bis ins kleinste Detail geprüft sein sollte vor dem Einbau. Und was ist da besser als ein Neuaufbau? In einer Verkaufsanzeige im Internet habe ich damals gesehen, dass ein Verkäufer aus dem Raum Werdau ein zu DDR Zeiten überholtes Kurbelwellengehäuse mit geschliffener Kurbelwelle und neuen Haupt- und Pleullagern verkaufen wollte. Der Motorblock war bereits einer der letzten Serie mit dem Öleinfüllstutzen auf der linken vorderen Seite und war für die Aufbauten der Luftkühlung vorgesehen. Sprich es waren schon alle Gewinde und Aufnahmen vorhanden. Da haben wir uns entschieden aus diesem Motorblock samt Kurbelwelle und Pleul einen Luftgekühlten Motor auzubauen, zumal meine Motorhaube auch von einem luftgekühlten Motor stammte. Mein Freund Reik hatte sich den Motorblock damals angesehen und dann aus Werdau abgeholt und bei sich zwischengelagert.
Famulus Motorblock im Ankaufzustand
Ich hatte mir zeitgleich neue Übermaßkolben, neue Zylinderköpfe und geschliffene Buchsen besorgt für einen luftgekühlten Motor. Leider waren es "nur" Direkteinspritzer Motorteile, da ich keine neuen Vorkammer Motorteile bekommen habe. Sie sind regelrecht Goldstaub. Tja mittlerweile gibt es ja Vorkammernachbaukolben im Übermaaß, aber neue Vorkammerzylinderköpfe habe ich noch keine gesehen. Und ob diese Nachbauteile an die Qualität der DDR Originalteile rankommen möchte ich auch ganz stark bezweifeln. Aber zurück zu meinen besorgten Ersatzteilen. Diese Direkteinspritzerneuteile zusammen mit dem überholten Kurbelwellengehäuse, den gereinigten Blechteilen und dem neugemachten und neu gelagerten Gebläselüfter sollten den Grundstein bilden für einen neuen Famulus Motor. Um mit der Motorüberholung bei mir in der Werkstatt fortfahren zu können, musste ich Reik die neuen Kolben zuschicken, da bei ihm ja noch das Kurbelwellengehäuse stand und er die Kolben auf die Pleul auswinkeln musste in der entsprechenden Vorrichtung. Diese Vorrichtung hatte eine befreundete Werkstatt von Reik. Ich habe mich in der Zwischenzeit um alles weitere gekümmert. Dazu zählten die Besorgungen von Dichtmasse, neuen Keilriemen und Motoröl, sowie alle Kleinteile für den Motorneuaufbau bereitlegen und reinigen. Ich kann euch sagen, es sind einige Kleinteile die da zusammen kommen und ohne ein Reparaturhandbuch und eine Ersatzteilliste wäre ich wohl nie soweit gekommen oder hätte etwas vergessen.
Neuteile für den luftgekühlten Motor
Ich bitte zu beachten, dass dies keine Aufbauanleitung sein soll, sondern nur eine Zusammenfassung meiner Motorüberholung. Es kann gut sein dass ich einige Arbeitsschritte in der Auflistung vergessen habe. Zumal schon einige Zeit ins Land gegangen ist und ich nun alles aus meinem Gedächtnis aufschreibe. Auch habe ich nicht von allen Arbeiten Bilder gemacht. Leider. Aber zurück zum Motoraufbau.
An einem nasskalten Morgen war es dann soweit. Reik war zu mir gereist und hatte im Gepäck das Kurbelwellengehäuse mit den ausgewinkelten Kolben. Unser Ziel an diesem Tag war der Zusammenbau des luftgekühlten Motors mit anschließendem Probelauf. Ein wie ich heute immer denke sportliches Ziel. Aber lest doch selber. Was ich an der Stelle vorab erwähnen möchte, bei solch einem Motoraufbau ist auf größte Sauberkeit zu achten!!! Reik hatte den Motorblock bei sich bereits gereinigt und mit Rostschutz versehen. Für mich war es der erste Motoraufbau und für Reik, der schon viele S4000, W50 und ZT Motore aufgebaut hat, der erste Zweizylinder Motor mit Luftkühlung. Und so legten wir dann los. Wir mussten zuerst die Nockenwelle mit dem Pilzstößeln einbauen. Danach wurden die Motorölpumpe verbaut und die Welle für den Antrieb der Einspritzpumpe montiert. Im darauffolgenden Schritt wurden die Steuerräder eingerichtet und wir konnten den Abschlußdeckel der Pilzstößel mit Dichtung einsetzen.
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